Burnout erscheint, wenn man einigen Presse-Artikeln glauben will, nahezu wie eine Seuche der modernen Arbeitswelt, die anscheinend fast jede/n befallen kann - Selbständige genauso wie Angestellte, Verantwortungsträger genauso wie „Familienmanagerinnen“. Im klinischen Sinne ist Burnout allerdings eine durchaus umstrittene Diagnose...

 
„Wer je ein ausgebranntes Gebäude gesehen hat, der weiß, wie verheerend so etwas aussieht.
Ein Bauwerk, eben noch von pulsierendem Leben erfüllt, ist nun verwüstet.
Wo früher Geschäftstätigkeit herrschte, finden sich jetzt nur noch verkohlte Überreste von Kraft und Leben.
Ein paar Ziegel und Zementbrocken mögen stehen geblieben sein, ein paar leere Fensterrahmen. Vielleicht ist sogar die äußere Hülle des Gebäudes noch erhalten.
Wer sich jedoch hineinwagt in die Ruine, wird erschüttert vor dem Werk der Vernichtung stehen“.
(Herbert Freudenberger)
 

Der Begriff „Burnout“ (deutsch: Erschöpfungssyndrom, Ausgebrannt-Sein) wurde in der 1970er Jahren durch den New Yorker Psychoanalytiker Herbert Freudenberger geprägt. Er hatte u.a. mit Drogenberatern gearbeitet und beobachtet, wie sie zu Anfang sehr engagiert ihrem Job nachgingen, im Laufe der Zeit aber immer erschöpfter, verbitterter und resignierter wurden (siehe nebenstehendes Zitat). Es gibt aber auch andere, z.T. ältere Beispiele:

  • Manche Menschen, die Extrembelastungen wie z.B. Folter oder KZ-Inhaftierung überlebt haben, entwickeln eine Form von seelischer „Verflachung“, die mit tiefster, seelischer Erschöpfung in Verbindung steht.
  • Shakespeare schrieb über die Erschöpfung der Fähigkeit, Liebe für jemanden oder eine Idee zu empfinden.
  • Bereits in der Bibel wird von der Erschöpfung eines Propheten berichtet (sog. „Elias-Müdigkeit“, 1. Könige, 17-22).
  • Von Goethe über Wittgenstein bis zu Cosima Wagner u.a.m. werden Schaffenskrisen berichtet, hinter denen Erschöpfungsprozesse vermuten werden können.
  • Im asiatischen Raum gibt es eine Erkrankung namens „Karōshi“, bei der Menschen mittleren Alters, die vorher nie oder kaum Gesundheitsprobleme gezeigt hatten, plötzlich im Büro versterben.

Hier zu Lande hat sich Burnout in den letzten Jahren zu einem modernen bis modischen Schlagwort entwickelt. Es wird oftmals sehr ungenau benutzt und manchmal mit einem Ausgelaugt-Sein gleichgesetzt, das immer mehr Menschen zu erfassen scheint. Als Gegenbewegung zu diesem inflationären Gebrauch des Burnout-Begriffes wurde das Thema in der Fachöffentlichkeit kritisch diskutiert. Dabei wurde hervorgehoben, dass viele der bisher veröffentlichten Burnout-Modelle - wie Sie sie auch in diesem Artikel weiter unten finden werden - bisher nach akademischen Maßstäben nicht ausreichend belegt sind. Ebenso sind viele Therapievorschläge klinisch noch nicht abschließend überprüft, so dass sie gegenwärtig eher als mehr oder weniger gut reflektierte Erfahrungsberichte gewertet werden müssen (weitere Informationen, wie vor dem Hintergrund dieser neueren Diskussionsbeiträgen die (Differential-)Diagnose und Behandlung von Burnout zu handhaben sind, finden Sie in Husmann, 2016, und der dort verzeichneten Literatur).

Weitgehende Einigkeit gibt es aber darüber, dass Burnout einen meist kleinschrittigen Abbauprozess der Fähigkeiten, sich zu erholen und zu regenerieren, bezeichnet und dass es mit dem Leitsymptom der körperlich-seelische Erschöpfung einhergeht. Weitere typische Symptome, bei denen allerdings noch genauer abgeklärt werden muss, in wie weit sie für Burnout spezifisch sind, können sein:

  • Entfremdung (sog. Depersonalisation) evtl. mit Zynismus oder Verbitterung;
  • Gefühl, aus eigener Kraft wenig zum Positiven verändern zu können und in der Falle zu sitzen (sog. vermindertes Selbstwirksamkeitserleben).

Folgt man einigen renommierten Burnout-Autoren verläuft der Abbauprozess bei Burnout in bestimmten Kaskaden, die von verschiedenen Autoren zwar etwas unterschiedlich beschrieben werden, die aber jeweils signalisieren, dass ein bestimmter Teil der körperlich-seelischen Selbstheilungskräfte in eine Sackgasse geraten ist (vgl. Husmann, 2008). Als Beispiel hier ein Verlaufsmodell (nach Freudenberger & North), das mehr den inneren Prozess beschreibt, wobei gut ersichtlich wird, wie jede Stufe eine Reaktion auf die jeweils vorherige ist:

  1. innere Leere
  2. verstärkte Leugnung auftretender Probleme
  3. verstärkter Einsatz
  4. subtile Vernachlässigung eigener Bedürfnisse
  5. Rückzug
  6. Depression
  7. Verlust des Gefühls für die eigene Person (Depersonalisation)
  8. Umdeutung von Werten
  9. der innere Drang oder Zwang, sich beweisen zu müssen
  10. Veränderung von Konflikten und Bedürfnissen
  11. beobachtbare Verhaltensänderung
  12. völlige Burnout-Erschöpfung

Ein anderes Verlaufsmodell (angelehnt an Edelwich & Brodsky) unterteilt den Burnout-Prozess folgendermaßen:

  1. Die sich anschließende Frustrationsphase kennzeichnet sich durch Erfahrung von Erfolglosigkeit und Ohnmacht gepaart mit „Reibereien“ z.B. gegen bürokratische Vorgaben, „Seilschaften“ unter Kollegen oder „nervige“ Vorgesetzte. Hinzu tritt ein (gefühlter) Mangel an Anerkennung oder einem Gefühl der Inkompetenz. Dies führt zu Selbstzweifeln, Resignation und Verbitterung oder auch zur sog. „inneren Kündigung“. Schließlich beginnen in dieser Phase psychosomatische Beschwerden, depressive Verstimmungen und evtl. Suchtverhalten. Das führt auch dazu, dass (Arbeits-)Motivation und Leistungsfähigkeit weiter abflachen.
  2. Eine anfängliche idealistische Phase ist geprägt von Begeisterung und hohem Engagement aber auch von Selbstüberschätzung, ehrgeizigen Zielen, großem Energieeinsatz und Überidentifikation mit der Arbeit.
  3. Die nachfolgende Stagnationsphase ist geprägt von Enttäuschungen, weil berufliche Erfolge ausbleiben, und einer Art innerem Rückzug. Manche Menschen flüchten jetzt ins „private Glück“ (= Anstieg der Bedürfnisse nach Komfort, Freizeit usw.), andere beschränken ihre Kontakte zunehmend auf Arbeitskollegen und leben hauptsächlich für die Arbeit, so dass z.B. das Familienleben leidet.
  4. Die finale apathische Phase geht mit schrittweise Desillusionierung und einem Gefühl des Gefangenseins oder der Ausweglosigkeit einher. Dies führt zu immer größer werdender Gleichgültigkeit, einem Verlust des Gefühls für die eigene Person und schließlich innerer Leere (= Übergang zu einer (Erschöpfungs-)Depression) oder einem völligen Zusammenbruch.
 

feuer

Sinn vermittelt Kräfte, Sinnlosigkeit aber entzieht sie. Das ist ein wesentlicher Grund für das Ausbrennen..., das so viele Menschen in der modernen Zeit beklagen (aus W. Schmid: Glück. Alles, was sie darüber wissen müssen, und warum es nicht das Wichtigste im Leben ist)
 
Zeit-Etüde Nr. 22: Was ist Ihrer Meinung nach ein gut ausgefülltes Leben? (aus F. Lelord: Hector und die Entdeckung der Zeit)
 

Kümmern sich die Betroffenen nicht angemessen um die zu Beginn schleichend zunehmenden Beschwerden, ist die Gefahr gegeben, dass sich auf diesem Boden eine klinische Depression entwickelt. Aber auch Suchtmittelmissbrauch, psychosomatische und Angststörungen sowie andere Erkrankungen sind möglich.

Auch wenn die klinische Überprüfung, wie schon mehrfach gesagt, noch aussteht, so gelten unter nicht wenigen Therapeuten langanhaltende, negative Gefühle als ursächlich für Burnout, die sich aus beruflichen Belastungen in Kombination mit individuellen psychologischen Merkmalen ergeben. Eine Burnout-Faustformel, die mehr den persönlichen Anteil betont, lautet: „Ich habe viel zu viel über viel zu lange Zeit für viel zu viele andere und mit viel zu wenig Rücksicht auf mich selbst gearbeitet“. Diese Charakterisierung von Burnout zielt auf Menschen, die sich gewissermaßen selbst verbrennen, weil sie nicht Nein! zu sich, ihren Ansprüchen und Erwartungen sagen können. Andere Autoren weisen auf eine Untergruppe von Burnout-Betroffenen hin, die sog. „Wearouts“, bei denen es mehr aufgrund der von außen kommenden Überforderungen zu einem Verschleiß der inneren Kräfte und in der Folge zu Resignation usw. kommt. Es wird ferner angenommen, dass auch allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen im Hintergrund eine Erschöpfung der psychischen Energien verstärken z.B. ständig steigende Beschleunigung, permanenter Zuwachs an Komplexität, Vereinzelungstendenz, Zunahme sozialer Ungerechtigkeiten und Spannungen sowie Ausweitung der „Dienstleistungsgesellschaft“ (vgl. Husmann, 2004, und DG-E Hrsg., 2014, sowie die dort verzeichnete Literatur).

Auf Seiten der konkreten Arbeitsbelastung werden als wichtige Risikofaktoren diskutiert:

  • Arbeitsdichte, Zeitdruck
  • Verringerung von Handlungs- und Entscheidungsspielräumen
  • Rollenkonflikte (z.B. in kürzerer Zeit trotzdem immer noch effektiver werden und zugleich „formvollendet“ kundenorientiert tätig sein zu müssen)
  • Flexibilitätsdruck, z.B. durch heutzutage gehäuften Arbeitsplatzwechsel, interne Versetzung usw.
  • mangelnde (positive) Rückmeldung, geringe soziale Unterstützung
  • von Konkurrenz, Druck und Angst geprägtes Arbeitsklima
  • vermehrte „Emotionsarbeit“, d.h. vom Callcenter bis zum Frisör braucht es viel persönlichen Einsatz, um z.B. Kunden persönlich zufrieden zu stellen
  • vermehrte Lernanforderungen (wegen ständiger Änderungen in allen Bereichen, von Gebrauchsanweisungen für neue Geräte bis zum Umgang mit ganz neuen Technologien, muss dauernd neu gelernt werden)
 

steine

Ehrgeiz schafft viel, sogar einen selbst (G. Uhlenbruck)
 
Am Ende Deiner Reise wird man dich nicht fragen, ob Du ein Heiliger oder ein Held geworden bist und die Welt gerettet hast. Die einzige Frage die Du beantworten mußt, ist die: Bist Du Du selbst geworden?
 

Auf der persönlichen Seite werden u.a. folgende Risikofaktoren diskutiert:

  • überhöhte Erwartung an sich selbst, an andere und an die Arbeit; Perfektionismus;
  • Überidentifikation mit einer beruflichen Tätigkeit, um andere Schwierigkeiten zu kompensieren (z.B. ein labiles Selbstwertgefühl über beruflichen Erfolg)
  • „Einzelkämpfertum“ (z.B. Kontrollbedürfnisse, die im Wege stehen, Hilfe oder Kritik anzunehmen oder Aufgaben zu delegieren)
  • wenig entwickelte Dialog-, Abgrenzungs- oder Konfliktfähigkeit
  • verminderte Entspannungs-, Genuss- oder Regenerationsfähigkeit

Die Kombination von externen und internen Faktoren führt letztlich zu einer Vielzahl seelischer Kränkungen, so dass sie die psychischen Selbstheilungskräfte immer weiter geschwächt werden (vgl. Husmann, 2008). Um sich zu schützen, ziehen sich die Betroffenen innerlich von der Welt zurück (siehe oben: Stagnationsphase) und werden zynischer, verdrießlicher und missmutiger. Auf diesem Boden blühen dann weitere ungünstige Verhaltens- und Denkmuster, die den Erschöpfungsprozess noch weiter verstärken (siehe oben: Frustrationsphase).

Für den Verbreitungsgrad von Burnout in Deutschland gibt es wenig belastbare Zahlen, was aber nicht nur an mangelnder Forschung liegt, sondern auch an dem Umstand, dass sich die Verbreitung von Burnout nur schwer messen lässt. Denn Burnout ist ein Prozess und nichts Statisches. Es beginnt gewissermaßen mit „Allerweltssymptomen, so dass man oft erst zu einen späteren Zeitpunkt in fortgeschrittenen Stadien ermitteln kann, wer tatsächlich ein Erschöpfungssyndrom entwickelt hat und wer aus anderen Gründen gestresst, frustriert, desillusioniert oder erschöpft war. Deswegen ist zu Beginn die gründliche organmedizinische und psychotherapeutische Abklärung so wichtig, um andere Krankheiten und Störungen auszuschließen, die sich ebenfalls durch Erschöpfungssymptome andeuten können (vgl. Husmann, 2016). Aber auch wenn kontrovers diskutiert wird, ob es derzeit tatsächlich eine Zunahme psychischer Erkrankungen insgesamt gibt, so zeigen Auszählungen verschiedener Krankenkassen doch eine merkliche Steigerung von Fehlzeiten aufgrund psychischer Beschwerden, wobei es sich vermutlich zu einem gewissen Prozentsatz um Erschöpfungsprozesse handelt. Für die Niederlande wird angenommen, dass ca. 10% der Berufstätigen erschöpft wären, ca. 16% wären von Burnout gefährdet und ca. 4-7% wären an Burnout erkrankt (Ärzte Woche 9/2007), wobei diese Zahlen aus den oben erwähnten grundsätzlichen Überlegungen heraus mit Vorsicht zu behandeln sind!

Oftmals wird von einer Häufung von Burnout in der sog. „Rushhour des Lebens”, also zwischen dem ca. 30. und dem ca. 45. Lebensjahr, gesprochen, wo oftmals berufliche und familiäre Anforderungen gleichzeitig zu bewältigen sind. Burnout wird gehäuft bei Menschen aus helfenden Berufen beschrieben, aber auch für Kreativ-Berufe und im Dienstleistungsbereich, wo viel sog. „Emotionsarbeit“ zu leisten ist (z.B. Callcenter), oder für Manager, die viel Verantwortung tragen. Genauso gibt es aber auch Berichte, dass Burnout sog. „Familien-Managerinnen“ oder sog. „kleinen Angestellten“ trifft, die ebenfalls erheblichem Druck ausgesetzt sind aber nur begrenzte Entscheidungsmöglichkeiten haben. Eventuell gibt es auch geschlechtsspezifische Unterschiede: Während Männer möglicherweise eher aufgrund ihrer übergroßen Leistungsidentifikation usw. erkranken, könnte für Frauen der spezifische Druck, sich in einer Männerwelt und ihren Normen beweisen zu müssen, verstärkend wirken. Erschöpfungsprozesse werden allerdings auch für Lebenssituationen beschrieben, bei denen v.a. Unterforderung gepaart mit Perspektivarmut usw. Verbitterung, Resignation und in der Folge Erschöpfung bedingen (z.B. Erwerbslosigkeit). In all diesen Fällen wurzelt Burnout letztlich in chronischer (Selbst-)Überforderung und ungesundem (Dauer-)Stress.

Gegenmaßnahmen

 

rettungsring

Wandel findet statt, wenn man der wird, der man ist, und nicht, wenn man versucht der zu werden, der man glaubt zu sein, der man sein will oder der man sein soll
(A. Beisser)
 

Wie bei jeder seriösen Behandlung, steht am Anfang immer eine fachgerecht gestellte Diagnose (vgl. Husmann, 2016). Bei einer ersten (Selbst-)Einschätzung helfen zwar Tests, die weitere Beurteilung sollte aber im Gespräch mit einem Fachmann bzw. einer Fachfrau erfolgen, denn zur Beurteilung, wie ausgeprägt und wie „eingefahren“ die Burnout-Symptome sind, braucht es eine fachlich und wissenschaftlich fundierte Kundigkeit. Es muss nämlich z.B. geklärt werden, welche Rolle die Lebensgeschichte in Hinblick auf innere Konflikte spielt. Ebenso müssen die persönlichen Fähigkeiten und Potentiale ausgelotet werden, denn sie bilden später die „Keimzellen“ der Gesundung. Gleichfalls wichtig sind die Abgrenzung einer Depression und anderer körperlicher oder seelischer Störungsbilder (vgl. Husmann, 2012 und 2016).

Eine solche umfassende und seriöse Diagnostik ist nicht nur für die Planung einer Behandlung wichtig, sondern auch für die Finanzierung. In den Niederlanden beteiligen sich Arbeitgeber, Kranken- und Rentenversicherung anteilig an den Kosten einer Burnout-Therapie; arbeitet der Betroffene bei der Behandlung nicht gemäß seinen Möglichkeiten mit, kann ein Teil der Kosten auch zu seinen Lasten gehen. Anders in Deutschland: Hier wird die Diagnose „Burnout“ zwar von Gerichten z.B. als Grund für die Inanspruchnahme von Berufsunfähigkeits- und Rentenversicherungen anerkannt, ein „einfaches“ Burnout in frühen bis mittleren Phasen gilt aber nicht als Krankheitsdiagnose im eigentlichen Sinne. Deswegen ist in diesen Fällen eine Abrechnung zu Lasten der Krankenkasse nicht unproblematisch. In solchen Fällen bietet sich z.B. „Gesundheitscoaching„ an, dass eine individuelle Gesundheitsleistung ist (sog. iGeL-Leistung). IGeL-Leistungen müssen zwar selbst finanziert werden, bieten aber die Möglichkeit Methoden einzusetzen, die ansonsten bei der ambulanten Therapie von Krankenkassen nicht bezahlt werden. Einige „Therapie-Bausteine“ können allerdings als Präventionsmaßnahmen von den Krankenkassen u.U. erstatten werden. Ebenso ist es auch hierzulande möglich, dass sich Arbeitsgeber an den Behandlungskosten beteiligen, was auch gerecht wäre und von ihnen ggf. sogar steuerlich geltend gemacht werden kann (Husmann, 2016).

Ein weiterer Schritt der Behandlung ist die fundierte Aufklärung über das Burnout-Syndrom, denn viele betroffene Arbeitnehmer wie Arbeitgeber haben eine recht vage Vorstellung davon.

Nach einer ausführlichen Erörterung wird unter Beachtung der jeweiligen beruflichen und privaten Situation sowie der persönlichen Fähigkeiten ein Plan z.B. für die individuelle Behandlung erarbeitet. Einerseits müssen die wichtigen Belastungsfaktoren eingekreist aber vor allem vom Betroffenen gründlich verstanden und bearbeitet werden (Wodurch und in welchem Maß erschöpfen sich meine seelischen Kräfte? Mit welchen persönlichen Konflikten vermengen sie sich? ...). Andererseits sind bei der individuellen Behandlung in aller Regel folgende Aspekte wichtig:

  • Entspannung/Entschleunigung, Regeneration und (Re-)Vitalisierung
  • Förderung der Bereitschaft zur Übernahme von Selbstverantwortung z.B. in Bezug auf gesunde Lebensführung (Ernährung, Bewegung, Naturkontakt, Schlaf-/Wachrhythmus)
  • Identifikation und Nutzung von „Kraftquellen“ vor allem im zwischenmenschlichen Bereich (Team, Familie, Freunde, Selbsthilfegruppen, Supervision) zusammen mit Pflege des persönlichen sozialen Netzes, um sich ggf. Rückmeldung oder Unterstützung zu holen usw.
  • Förderung der Selbstfürsorge im Allgemeinen (z.B. aktiv Zufriedenheitserlebnisse schaffen) und Ausbau von Entspannungs- und Regenerationskompetenz im Besonderen (wenn noch nicht geschehen: Erlernen eines systematischen
  • Entspannungsverfahrens wie Autogenes Training, Verbesserung von Zeit- und Selbstmanagement, Kurse in Stressbewältigung etc.)
 

Himmel

Ich suche nicht - ich finde. Suchen, das ist Ausgehen von alten Beständen und ein Finden-Wollen von bereits Bekanntem. Finden, das ist das völlig Neue. Alle Wege sind offen und was gefunden wird, ist unbekannt
(P. Picasso)
 
Nur auf das Ziel zu sehen, verdirbt die Lust am Reisen.
 

Etwas ausführlicher sollen im Zusammenhang mit der Burnout-Prophylaxe (Vorbeugung) und -Therapie die Möglichkeiten der Achtsamkeitsarbeit erwähnt werden, die in spirituellen Bewegungen aber auch in humanistischen Therapieverfahren schon lange genutzt wird. Methoden, um Achtsamkeit zu erlernen, können Tai Chi, Yoga oder verschiedene Meditationsformen sein; eine andere, mittlerweile ebenfalls relativ gut erforschte Methode ist die achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR).

Bei der Achtsamkeitsarbeit liegt der Schwerpunkt - anders als bei den „klassischen“ Entspannungsverfahren wie etwa Progressive Relaxation (sog. Jacobson-Methode) oder Autogenem Training - mehr auf der wachen, akzeptierenden (Selbst-)Beobachtung. Entspannung im engeren Sinne wird nicht absichtlich angestrebt, sie ist eher ein Nebeneffekt (vgl. Husmann & Nass, 2015; Husmann, 2009). Geschult wird die bewusste Wahrnehmung der dahinfließenden, inneren und äußeren Gegenwart, wobei die Aufmerksamkeit auf dem Annehmen aller Wahrnehmungsinhalte liegt, ohne aber an ihnen zu verhaften (z.B. das Umherwandern der eigenen Gedanken zwar wahrzunehmen, ohne sich aber für die Unkonzentriertheit zu „geißeln“ oder die Gedanken zu Ende denken zu müssen). Dies führt in einen meditativen Bewusstseinszustand und kann bei häufiger Übung in einer Veränderung der gesamten Lebenshaltung münden. Gefördert werden z.B. Akzeptanz und wertungsarme (oder -freie) Achtung, geduldige Gelassenheit sowie der sog. „Anfängergeist“ (d.h. auch sich wiederholende Tätigkeiten so zu tun, als wäre es das erste Mal). Forschungen zeigen, dass Achtsamkeitsarbeit ebenso wie systematische Entspannungsverfahren die inneren Widerstandskräfte gegenüber Stress stärken (sog. Resilienz), die Abgrenzungsfähigkeit verbessern, die eigenen Potentiale und Kraftquellen beleben und das Loslassen-Können z.B. von überhöhten Ansprüchen fördern (vgl. auch Husmann, 2012, und die dort verzeichnete Literatur).

Individuelle Burnout-Prophylaxe und -Therapie können sowohl in Einzel- als ggf. auch in Gruppensitzungen durchgeführt werden. Die Frequenz der Sitzungen richtet sich nach Schwere und innerer Verankerung der Beschwerden. Im Einzelfall kann es nach einer Eingangsphase auch sinnvoll sein, die Behandlung eines sehr „festsitzenden“ oder fortgeschrittenen Burnouts mit einer stationären Intensivphase in einer ortsfernen Reha- oder Fachklinik zu beginnen. Die ambulante Behandlung danach begleitet dann die Integration der Ergebnisse in den Alltag. Wichtig ist zu betonen, dass es bei jeder individuellen Behandlung von Burnout letztlich immer um die Veränderung der persönlichen Haltung sich selbst und der Tätigkeit gegenüber geht und nicht „lediglich“ um die pädagogisch-psychologische Einführung in irgendwelche (Lösungs-)Techniken.

 

Merke!

Verbringen Sie Zeit mit dem Versuch, Dinge zu ändern, die geändert werden können? Bemühen Sie sich das hinzunehmen, was nicht geändert werden kann? Denken Sie darüber nach, wie sich das eine vom anderen unterscheiden läßt? Je häufiger Sie diese Fragen mit Ja beantworten können, desto besser (aus F. Lelord: Hector und die Entdeckung der Zeit).
 

Aus organisations- und betriebspsychologischer Sicht ist es hinsichtlich Burnout-Prophylaxe und –Behandlung allerdings wichtig, nicht nur auf den Einzelnen einzuwirken, sondern ebenso auf das umgebende „System“, d.h. den Betrieb oder die Institution usw. Auch diesbzgl. gibt es eine ganze Reihe bewährter Maßnahmen, die sinnvoll sind (vgl. Husmann, 2016).

Abschließend sei noch betont: Burnout ist kein Versagen o.Ä., sondern eine allgemeine Gefahr für die seelische Gesundheit in der modernen Arbeitswelt. Zur individuellen wie zur betrieblichen Vorsorge gibt es, ebenso wie für die Behandlung, bewährte und effektive Möglichkeiten. Deshalb gilt auch bei Burnout – sowohl für persönlich Betroffene aber auch für Arbeitgeber usw. - der Ausspruch von Erich Kästners: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“

Ich habe mich seit Mitte der 1980er Jahre eingehend mit dem Erschöpfungssyndrom befasst und viele diesbzgl. Vorträgen, Workshops und Betriebsseminaren geleitet. Das wiederum führte dazu, dass viele von Burnout Betroffene aber auch Betriebe usw. auf meine Praxis aufmerksam wurden, sich zur Psychotherapie oder zum Coaching anmeldeten oder betriebliche Seminare durchführen ließen. Aus dieser Zusammenarbeit entstanden wiederum verschiedene Veröffentlichungen usw. So hat sich das Thema „Burnout-Prophylaxe“ nach und nach zu einem Kompetenz-Schwerpunkt meiner Praxistätigkeit entwickelt.

Bei weitergehendem Interesse am Thema, nehmen Sie gerne Kontakt mit mir auf oder schauen Sie bei Bedarf in den Bereichen Downloads bzw. Links nach weiteren Informationen.

Literatur:

Weitere Links